Angst. Immer diese schreckliche Angst. Stockdunkel. Lähmende Stille. Der Schlaf verfolgt mich. Kann nicht mehr denken. Stehe auf, gehe ans Fenster, um es zu öffnen. Es ist immer noch sehr warm. Traue mich nicht, Licht zu machen. Nur John, der Arzt, meint es gut. Wo ist Marcel? Wo ist Papi? Warum ist mein Mann verschwunden? Oder habe ich geträumt?
Alle drohen, sogar mein Gedächtnis. Die Seele am meisten. Aber sie ist weg. Verschollen wie Papi. So viele Erinnerungen kaputt. Wo ist mein Leben? Fange an zu schlottern. Muss weg hier, sonst stehlen sie mir noch meine Gefühle.
Anziehen in der Dunkelheit. Packe alles in meinen Rucksack. Meine Blätter, wo alles drin steht. Auch John versteht mich nicht. Immer von neuem Fragen aber keine Antworten. Nette Leute, die Daten in Computer tippen.
Alles ist ruhig. Blick auf meine Uhr. Halb vier wahrscheinlich. Nur schwaches Licht vom Hof. Meine Kreditkarte, die in den Socken steckte, hat das Schwein an der Tankstelle nicht gekriegt. Reines Glück, weil mich in New York… Gedanke weg.
Ach ja, die kugelrunde Frau. Sie hat die zwei Typen vertrieben, die über mich herfielen. Danach habe ich die Amex versteckt. Das Geld von meinem Bruder fällt mir ein. Suchen. Es ist in der Hosentasche.
Spähen, ob niemand auf dem Flur ist. Der schwarze Nachtportier schnarcht. Meine Joggingschuhe. Hätte sie beinahe vergessen. Sie haben leise Sohlen. Durchs Fenster sehe ich jetzt ein Stückchen Mond.
In der Toilette, wo Licht ist, trinke ich mit den Händen Wasser. Pinkeln. Nachdenken geht wieder nicht. Was ist nur los mit meinem Kopf? Alles ist durcheinander. Kommt es von den Pillen, die sie mir gegeben haben?
An der frischen Luft wird es sicher besser, überlege ich und schleiche mich aus dem Gebäude. Eine Schwester sieht mich. Ich winke ihr zu, sage „buenas tardes“, weil so viele Mexikaner hier arbeiten.
Bestimmt zwei Kilometer durch das Klinikgelände bis ich endlich an einer Straße bin. Das Gehen tut gut, ich atme und atme. Klar werden im Kopf ist das Wichtigste. Ohne meinen Rucksack wäre ich jetzt gejoggt. Keine Ahnung, wo ich bin. Unwichtig. Muss erst wieder ich selber werden. Ah, doch,. Pomona heißt die Stadt, fällt mir ein, irgendwo in Kalifornien.
Nach mehreren Kilometern eine verwitterte Parkbank. Morgengrauen. Der Verkehr nimmt zu. Schreibe wieder auf, was mit mir passiert. Muss mittendrin eingedöst sein.
Eine Frau weckt mich. Sie fragt auf Spanisch, ob ich irgendwo hin wolle. Indianerin wahrscheinlich. Bronzefarbene Haut, dunkle Augen. Groß, schlank, sehnig, stolz, strenges Haar, ganz schwarz, Zopf.
Ich nicke, weil sie Amanda so ähnelt.
„Señora“, sage ich, „Sie sehen so wunderschön aus wie mein spanisches Kindermädchen Amanda, mit der ich spanisch und englisch reden musste.“
„Sind Sie Französin?“, will sie wissen.
„Deutsch-Italienerin“, sage ich, „mein Bruder lebt hier in Kalifornien, aber mein Gedächtnis ist krank. Ich muss ihn erst suchen. Und mein Notizbuch haben sie mir gestohlen.“
Sie glaubt es nicht, sieht mich eindringlich an. Der Blick tut weh. Plötzlich die Erinnerung, dass ich zweimal überfallen worden bin. Ich sage es der Indianer-Frau, damit sie mir glaubt. „Cell phone, Geldbeutel, Pass und Notizbuch haben die Kerle mir gestohlen, Sen͂ora.“