Roman über Abenteuer m Kopf
„Was versteht man unter philosophieren?“, will die 11-Jährige wissen.
Ihre Tante lacht. „Tja, das kann ich nicht mal selber erklären, Jutta. Auf jeden Fall heißt es denken. Und zwar so, dass man sich und die Welt besser verstehen lernt. Was ganz Tolles!
Und es macht gar nichts, dass man es nicht recht erklären kann“, fügt die Tante hinzu. „Die Liebe kann man auch nicht erklären, aber sie ist wichtiger als fast alles andere.“
„Meinst du, wir verstehen das?“, fragt Juttas Bruder besorgt. „Sophies Vater, ist ein Zauberer, Michael“, sagt die Tante lachend. „Er überlegt sich immer Geschichten, wie er der kleinen Sophie, die noch nicht einmal fünf ist, schwierige Dinge verständlich machen kann. Einen besseren Lehrer könnt ihr gar nicht haben.“
… „Ich hab heute so hingeschrieben: Wo kommen die Wörter her?“, erkläre ich. „Können Sie mir erklären, wo die herkommen?“
„Schwierige Frage“, sagt Frau Kister.
Dann überlegt sie. „Es ist so, als wenn du fragst, wo kommen die Schachzüge her. Was genau interessiert dich an den Wörtern, Jutta?“
„Wenn ich Gedanken aufschreibe, kommen die Wörter in den Sinn. Ich muss mich nur konzentrieren und warten. Abrakadabra sind sie da.“
Frau Kister lacht.
„Als du klein warst, hast du angefangen, sprechen und verstehen zu lernen. So hast du mittlerweile zehn bis zwanzigtausend Wörter gelernt, schätze ich mal, die im Gedächtnis mehr oder weniger gut gespeichert wurden. Von dort kommen sie also her, aber auch aus dem, was du sagen willst, aus dem Denken und Wollen, würde ich vorsichtig sagen. Habe über die Frage selber noch nie nachgedacht, fällt mir jetzt ein.“
Sudle Frau Kisters Erklärung schnell in mein Notizbüchlein. Lilly schreibt es auch auf.
„Dann kommen die Schachzüge ja auch aus den Dreien“, murmle ich, „aus dem Gedächtnis, dem Denken und Wollen. Cool!“
„Das Ganze nennt man dann Können“, sagt Frau Kister lächelnd. „Sprechen, Verstehen, Lesen, Schreiben, Denken, Schachspielen können.“
Das Wort Können umrahme ich natürlich fünfmal.
„Du hast gesagt, du schreibst Gedanken auf. Wie machst du das, Jutta?“, will Frau Kister wissen.
Ich lache.
„Das ist so wie beim Schachspielen. Ich ziehe einfach so, wie ich die Partie sehe. Die Gedanken, die ich aufschreibe, sind meine Züge.“
„Sehr kreativ“, lobt sie.
„Dafür habe ich seit dem Philosophieren beim Professor ein Extra-Heft angelegt. Alles mit Bleistift, damit ich ändern kann. Heute Abend schreibe ich was übers Verstehen rein. Sie haben mich vorhin draufgebracht, weil Sie sagten, dass zum Sprechen ja Verstehen gehört. Hab ich noch gar nie dran gedacht. Bestimmt fang ich mit dem Satz an, ‚wo kommt das Verstehen her‘?“
Frau Kister lächelt und streicht mir übers Haar. „Du bist ein erstaunliches Mädchen, Jutta.“